09. Januar 2020 / Baurecht | Planungsrecht | Natur- und Umweltrecht
Einschränkung bestehender Nutzungsmöglichkeiten durch Bebauungsplan

Auszüge den Urteilsgründen:

Anforderungen an die Abwägung

Ein Satzungsbeschluss über einen Bebauungsplan ist rechtswidrig, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat. Das Abwägungsgebot ist ferner verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge einzustellen war. Schließlich liegt eine Verletzung auch vor, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen diesen in einer Weise vorgenommen wurde, die zur objektiven Gewichtigkeit der Belange außer Verhältnis steht (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301).

Gewichtung der bisherigen Nutzungsmöglichkeiten

Die Abwägungsentscheidung hat grundsätzlich den Konflikt zwischen den durch die Bauleitplanung verfolgten Zielen und dem Nutzungsinteresse der Antragstellerin gesehen. In der Abwägungsentscheidung zu der Stellungnahme der Antragstellerin wird zwar zum Gewicht von deren Nutzungsinteresse gar nichts ausgeführt. Es wird auch nicht darauf hingewiesen, dass eine bisher zulässige Nutzung rechtlich einen gewissen Schutz verdient, der durch gegenläufige Interessen überwogen werden muss. Eine Auseinandersetzung mit dem Nutzungsinteresse der Antragstellerin führt die Antragsgegnerin aber im Zusammenhang mit der Stellungnahme der IHK. Dort wird ausgeführt:

„Die Vorteile der geplanten Festsetzungen für Arten und Lebensgemeinschaften, das Orts- und Landschaftsbild, Boden, Wasser und Immissionsschutz gehen angesichts des realisierten Photovoltaikparks dem Interesse - u. a. des Eigentümers - an der Beibehaltung der sehr umfangreichen gewerblichen Nutzungsmöglichkeiten im Range vor.“

Das reicht im Ergebnis aus. Die zitierten Ausführungen machen deutlich, dass die Antragsgegnerin das Interesse der Antragstellerin, ihr Grundstück nach wie vor für Gewerbe (mit Ausschluss stark störender Anlagen) nutzen zu können, gesehen, dabei ausdrücklich in die Abwägung eingestellt hat, dass die bisher eingeräumten Nutzungsmöglichkeiten sehr umfangreich, von dementsprechend hohem Gewicht waren und die Antragstellerin ein abwägungsbedürftiges Interesse an der Fortdauer dieses günstigen Planungszustandes hatte. Dem hat sie ausreichenden Umfangs städtebauliche Umstände gegenübergestellt und zu einem der Antragstellerin nachteiligen Ergebnis abgewogen, ohne deren Interesse am Fortbestand des bisherigen Planungszustandes fehlzugewichten. Dafür ist Folgendes maßgeblich:

Konkrete Einwände gegen Nutzungsbeschränkung im Planaufstellungsverfahren erheben

Die Antragstellerin selbst hatte in ihrer Einwendung im Planaufstellungsverfahren diesen Punkt ausdrücklich gar nicht gerügt. Sie hatte sich in der maßgeblichen Stellungnahme vom 16. September 2016 ganz wesentlich darauf beschränkt, das eingeschlagene Planungsverfahren zu rügen. Obwohl es, beispielsweise im Zusammenhang mit der Rüge, die Planung sei gar nicht erforderlich, ohne weiteres möglich gewesen wäre, in dieser ihr fortdauerndes Interesse an der ihr vorteilhaften Planungssituation zu artikulieren und trotz anderweitiger gegenwärtiger Nutzung zu unterstreichen, fehlen dahingehende Ausführungen.

Sie hatte im Wesentlichen lediglich geltend gemacht, zu gegebener Zeit, d.h. wenn sie, die Antragstellerin, das Gelände umnutzen wolle, könne die Antragsgegnerin darauf hinwirken, ihr städtebaulich zu umfangreich erscheinende Immissionen zu unterbinden. Daraus durfte die Antragsgegnerin schließen, dass sich die Antragstellerin auf unabsehbar lange Zeit nicht mit Umnutzungsplänen trug und dem Interesse an der Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Planungslage daher kein allzu hohes Gewicht zukam.

Ein solches Interesse musste sich der Antragsgegnerin auch nicht als besonders gewichtig aufdrängen. Denn unstrittig war die Solaranlage bereits verwirklicht. Sie sicherte, wie sich auch aus der Erörterung in der mündlichen Verhandlung ergab, der Antragstellerin auf ca. 15 weitere Jahre eine rentable Grundstücksnutzung. Ob nach Ablauf dieser Zeit die Anlage weiter auskömmlich genutzt werden kann, war und ist mehrfach unsicher: Weder steht fest, welchen Preis Solarstrom dann auf dem Markt wird erzielen können, noch ist klar, welche genaue Lebensdauer die Anlage haben wird. Die Antragsgegnerin war nicht verpflichtet, zu diesen Fragen genauere Ermittlungen anzustellen. Das ergibt sich aus einer Parallele zu § 1 Abs. 3 BauGB. Die Erforderlichkeit eines Plans kann fehlen, wenn er auf Dauer nicht realisiert werden kann. Das kann schon bei einem Zeitraum von 10 Jahren der Fall sein (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 32 m.w.N.). Dann kann auch die planende Gemeinde jedenfalls dann nicht gezwungen sein, das Interesse eines Planbetroffenen für einen Zeitpunkt 15 Jahre nach Satzungsbeschluss zu prognostizieren, wenn für diesen Zeitraum die selbstgewählte Nutzung auskömmlich, außerdem abzusehen ist, dass das Prognoseergebnis äußerst unsicher sein wird, und der Gewerbetreibende trotz ordnungsgemäßer Beteiligung keinen Hinweis darauf gibt, über das Interesse an der Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Planungssituation müsse er selbst damit rechnen, die gegenwärtige Nutzung in absehbarer Zeit nicht mehr profitabel weiterbetreiben zu können.

Autor: Professor Dr. Karsten Simoneit

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Professor Dr. Karsten Simoneit

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